Chronobiologie · Zelluhren · Zirkadiane Rhythmen
Alle Lebewesen unterliegen biologischen Rhythmen, d. h. biologischen Phänomenen, die sich in regelmäßigen Zeitabständen wie z. B. einem Tag, Monat oder Jahr wiederholen. Tiere, Pflanzen und einzellige Organismen besitzen daher einen inneren circadianen Rhythmus, der Prozesse im Körper und das Verhalten periodisch steuert, beispielsweise den Schlaf-Wach-Rhythmus.
Wie eine Armbanduhr müssen jedoch auch die inneren Uhren der Organismen regelmäßig gestellt werden. Im Laufe der Evolution haben sich diese innere Uhren entwickelt, die dem Körper auch in Abwesenheit äußerer Einflüsse wie Licht entscheidende Zeitinformationen liefern. Damit können z. B. wichtige Stoffwechselfunktionen optimal an die im Tagesverlauf veränderten Bedingungen angepasst werden.
Die zirkadiane Uhr gliedert sich in eine zentrale und viele periphere Uhren. Die zentrale Uhr wird durch das Licht synchronisiert und kommuniziert mit anderen peripheren oder untergeordneten Zelluhren, den Uhren-Genen (wissenschaftlich „Bmal-1“), die in den meisten Zellen des Körpers vorkommen. Der zirkadiane Rhythmus, der viele verschiedene organische Prozesse taktet, folgt beim Menschen einem Zyklus von rund 24 Stunden.
Stoffwechsel als Taktgeber der Zelluhren · Uhrengene
Die peripheren Zelluhren steuern die periodischen Stoffwechselabläufe im jeweiligen Organ durch die rhythmische Aktivierung bestimmter Gene. Auch wenn diese normalerweise synchron mit der Zentraluhr laufen, können sie nach neueren Befunden durch äußere Einflüsse verstellt und von der Zentraluhr abgekoppelt werden.
Viele biochemische und physiologische Prozesse sind zirkadianen Rhythmen unterworfen. So werden z. B. die Körpertemperatur, der Blutdruck sowie das Hormon- und Immunsystem zirkadian reguliert.
Bei Säugetieren gliedert sich die zirkadiane Uhr hierarchisch in eine zentrale Uhr, die sich im SCN des Hypothalamus befindet und als Hauptschrittmacher bekannt ist, und in periphere Uhren. Die zentrale Uhr passt den 24-Stunden-Zyklus an die externen Umweltzeitgeber an und überträgt die Informationen an die peripheren Uhren im Körpergewebe, die von der zentralen Uhr koordiniert werden (Golombek & Rosenstein 2010).
Zirkadiane Oszillatoren
Auf molekularer Ebene wird das intrazelluläre Uhrwerk aus sich gegenseitig beeinflussenden positiven und negativen transkriptionell-translationellen Rückkopplungsschleifen (transcriptional/translational feedback loops, TTLs) gebildet. Die zirkadianen Oszillatoren werden durch die Rückkopplungsschleifen der Transkription und Translation angetrieben, deren Schwingungsfrequenz auch ohne äußeren Zeitgeber etwa 24 Stunden beträgt. Entscheidend für die Erzeugung und Aufrechterhaltung der 24h-Periode ist ein präzises Zusammenspiel der tagesperiodischen Synthese, der Modifikation und des Abbaus von zentralen Uhrenproteinen im Rahmen ihrer spezifischen Protein-Protein- und Protein-Nukleinsäure-Wechselwirkungen.